Abnahmeprüfungen nicht nur bei neuen Leitungen
In früheren Blog-Artikeln haben wir bereits das Abwassernetz als Thema aufgegriffen und allgemeine Informationen dazu geliefert: Grundlagen Abwasser – Abwassernetz in Deutschland. Detaillierte Informationen zur Prüfung von Abwasserleitungen und -bauteilen finden Sie in DIN EN 1610 – Dichtheitsprüfung von Abwasserleitungen. Dort werden relevante Regelwerke und Prüfverfahren genannt, welche aktuell in Deutschland für das Abwassernetz gelten. Zur Gewährleistung eines langfristig funktionierenden und wasserdichten Kanalnetzes ist eine Abnahmeprüfung nach dem Neubau einer Abwasseranlage zwingend notwendig. Somit müssen Neubauten von Freispiegelleitungen und -kanälen (auch Schächte) gemäß EN 1610 auf Dichtheit geprüft werden (z.B. mit dem Pegelmessverfahren), Abwasserdruckleitungen müssen hingegen gemäß EN 805 auf Dichtheit geprüft werden. Wir fokussieren uns in diesem Blog auf Prüfungen an Abwasserdruckleitungen im Bestand.
Was ist eine Abwasserdruckleitung?
Abwasserdruckleitungen bzw. Druckrohrleitungen werden z.B. auf einzelnen Grundstücken zur Grundstücksentwässerung eingesetzt, falls widrige oder lokale Bedingungen eine Entwässerung über Freispiegelleitungen nicht erlauben. Die häusliche Entwässerung wird dann als sogenannte Druckentwässerung über ein kleines Hauspumpwerk ausgeführt, welches das Abwasser über eine Druckrohrleitung in das öffentliche Kanalnetz pumpt.
Dasselbe Prinzip wird in einem größeren Maßstab im öffentlichen Abwassernetz verwendet. Abwasserdruckleitungen werden überall dort eingesetzt, wo Steigungen oder größere Höhenunterschiede den Einsatz von Freispiegelleitungen nicht erlauben. Größere Abwasserpumpwerke und Abwasserdruckleitungen werden z. B. an tieferliegenden Wohngebieten betrieben. Über ein Freispiegelleitungssystem werden die häuslichen Abwässer des Wohngebietes in einem zentralen Pumpwerk gesammelt. Von dort wird das Abwasser über eine Abwasserdruckleitung in das höherliegende Freispiegelsystem gepumpt und weiter in Richtung Kläranlage transportiert.
Abwasserdruckleitungen werden aus unterschiedlichsten Materialien hergestellt, üblich sind z. B. PE, PVC, Guss, Stahl, Asbestzement oder auch spezielle Seedruckleitungen
Welche Regelungen gelten für Abwasserdruckleitungen?
Das gesamte Abwassernetz unterliegt dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG). Zusätzlich unterliegen Abwasserdruckleitungen oder Abwasserpumpwerke dem Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnIG 2021). Aufgrund des inneren Überdrucks gelten Abwasserdruckleitungen als Druckanlagen und sind somit laut ÜAnIG als überwachungsbedürftige Anlage eingestuft. Für überwachungsbedürftige Anlagen gelten strenge Vorschriften, so heißt es u. a. im ÜAnIG: „Der Betreiber einer überwachungsbedürftigen Anlage hat sicherzustellen, dass die Anlage auf ihren sicheren und ordnungsgemäßen Zustand geprüft wird.“ Diese Überprüfung muss „regelmäßig wiederkehrend“ durchgeführt werden.
Die regelmäßige Überprüfung bezieht sich auf die Prüfung der Funktionsfähigkeit und Dichtheit der Anlage.
Viele Druckrohrleitungen in Deutschland sind mittlerweile in die Jahre gekommen und sind teilweise schon mehrere Jahrzehnte in Betrieb. Durch Alterung des Rohrleitungsmaterials, Verschleiß durch Feststoffe und Ablagerungen leidet das Rohrleitungsmaterial mit der Zeit. Auch dank der häufigen Druckbelastungs- und Entspannungsprozesse beim Wiederanfahren der Pumpe im Pumpwerk und der damit zusammenhängenden Druckstöße, kann die Standfestigkeit der Druckleitung reduziert werden.
Angesichts des hohen Gefährdungspotenzials für Mensch und Umwelt durch undichte Abwasserleitungen ist eine wiederkehrende Dichtheitsprüfung sinnvoll, um auch kleine Leckagen zu finden und ggf. Leitungen zu sanieren.
Wie kann eine wiederkehrende Prüfung von Abwasser-Druckleitungen durchgeführt werden?
Wiederkehrende Überprüfungen von Abwasser-Druckleitungen zur Begutachtung des „ordnungsgemäßen Zustands“ können über unterschiedliche Methoden durchgeführt werden. Der Aufwand dieser Methoden ist für Betreiber von Abwasserdruckleitungen verhältnismäßig hoch und liefert zudem nicht immer ein eindeutiges Ergebnis über den tatsächlichen Zustand einer Leitung. Somit stehen Betreiber bislang vor einer schwierigen Aufgabe: Sie müssen Druckrohrleitungen regelmäßig prüfen, aber wie kann die Überprüfung auf sinnvolle Weise durchgeführt werden??
Bisher gängige Verfahren für in Betrieb befindliche Abwasserleitungen sind unter anderem folgende:
- Fest eingebaute Messtechnik: Analyse von Pumpendaten, z. B. Stromaufnahme, Druck, Durchfluss
- Optische Inspektion (z. B. Kamerafahrt): bei Freispiegelkanälen gängiges Mittel, bei Druckrohrleitungen wegen unterschiedlicher Aspekte ungeeignet; kleine Rohrdurchmesser, großer Abstand zwischen Schächten etc.
Alle bisherigen Verfahren haben den Nachteil, dass kleinere Leckagen nicht zuverlässig erkannt werden.
Nur mit einer geeigneten Dichtheitsprüfung können Leckagen zuverlässig erkannt und ein Dichtheitsnachwies für Druckleitungen erlangt werden.
HSA-Normalverfahren
Da es keine geeigneten Verfahren zum Dichtheitsnachweis an Abwasserdruckleitungen gab, hat sich die Hochschule Augsburg (HSA) im Auftrag des Bayrischen Landesamts für Umwelt mit der Entwicklung eines solchen Verfahrens befasst. Ziel war es, ein Verfahren für in Betrieb befindliche Abwasserdruckleitungen zu entwickeln, das technische Machbarkeit, geringe Ausfallzeiten der in Betrieb befindlichen Leitung und zuverlässige Dichtheitsnachweise vereint. Aus diesem Projekt resultierten letztendlich die gleichnamigen Verfahren HSA-Normalverfahren und HSA 20 Minuten-Test.
Für den Raum Bayern empfiehlt das Bayerische Landesamt für Umwelt die Anwendung des HSA-Normalverfahren, um die nach Eigenüberwachungsverordnung (EÜV) erforderlichen Dichtheitsprüfungen von Abwasserdruckleitungen zu erfüllen.
Das smart memo bietet über die Option HSA Abwasser (Option folgt bald im Produktshop) den passenden Prüfablauf zur Durchführung eines ordnungsgemäßen HSA-Normalverfahrens, vollautomatisch, Regelwerks-konform und zuverlässig